Partizipation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Einer der schwierigsten Sachen im Wandel ist es, „nicht wieder“ die gleichen Entscheidungen zu treffen wie am Vortag. Sich nicht wieder für die gleiche Gedanken und Handlungen zu entscheiden.
Folgendes Zitat von Friedrich von Humboldt lässt sich sehr gut auf das Menschenbild in althergebrachten Führungskulturen übertragen:
„Die Natur muss gefühlt werden,
wer sie nur sieht und abstrahiert,
kann Pflanzen und Tiere zergliedern,
er wird die Natur zu beschreiben wissen,
ihr aber selbst ewig fremd sein.“
Humboldt macht deutlich, dass Sehen, Abstrahieren und Zergliedern notwendige Voraussetzungen der Naturerkenntnis sind. Analyse im Sinne des Zerteilens in Fragmente beschreibt aber nur einen Teil alles Lebendigen.
Die hochkomplexe Realität lebendiger Systeme lässt sich allerdings nur andeutungsweise in Statistik und Studien beschreiben. Organisationen, die ausschließlich mit Regeln, Standards, Richtlinien und Zielen gesteuert werden, dort kommen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bzw. das „Mensch sein“ zu kurz. In einer immer komplexer werdenden Welt, kommen die alten Führungssysteme, Methoden und Abläufe an ihre Grenzen.
Die Umsetzung einer Kultur des Miteinanders lässt leider noch auf sich warten. Nicht nur innerhalb der Sozialen Arbeit, der sogenannten Sozialwirtschaft, der Kirche, als auch im Wirtschaftsleben. Mir kommt es so vor, dass die Organisationen der freien Marktwirtschaft teilweise viel weiter sind in Bezug zu Partizipation von Mitarbeitern. Auch die Agilität / Beweglichkeit von Organisationen und Personen bzw. die Wendigkeit von Strukturen und Prozessen ist noch zu langsam.
In Bezug auf Veränderungen ist Passivität und Aussitzen ein Verhaltensmuster alter Organisationen. Passives Verhalten liegt vor, wenn sich eine Person oder Organisation abwartend verhält, keine Initiative ergreift und selbst bei Änderungen der Umwelt untätig bleibt bzw. keine Verhaltensänderung zeigt oder eine Veränderung nur vortäuscht.
Gefragt ist heute hingegen die Urteilskraft des Einzelnen. Gut beraten sind die Organitationen, die ihren Mitarbeitenden die Übernahme von Verantwortung auch zutrauen. „Gerade jetzt kommt es auf die Urteilskraft jeder einzelnen Mitarbeiterin und jedes einzelnen Mitarbeiters an.“ Zitat managerSeminare mS 265, 09. April 2020
Eine Leitung im Sinne von New Work von Führungskräften setzt voraus,
- dass die Leitungskräfte ihre bisherigen Rollen reflektierten,
- offen sind für Kritik und
- bereit sind, Verantwortung abzugeben.
Denn wichtig ist auf dem Weg
👉 Freiwillig Macht loszulassen und
👉Kontrolle teilweise abzugeben, ist die größte Herausforderung

Sinnvoll ist ebenfalls, die intrinsische Motivation zu fördern: „Bedürfnisse wie Fairness, Entwicklung, Autonomie und Selbstwert-Erfahrung gehören zu den neurobiologischen Grundbedürfnissen des Menschen. Sind diese erfüllt, dann entsteht Sicherheit, Motivation und Kreativität“
Wesentlich für Motivationsentwicklung ist die Mobilisierung von Zuversicht und Hoffnung auf Besserung. Die Beziehungsgestaltung zwischen Leitung und Mitarbeiterschaft ist bedeutend für den „spirit“. Vertrauensaufbau in beide Richtungen Leitung und Mitarbeiterschaft bildet die Basis für Veränderungsprozesse in Organisationen.
Folgende Haltungen sind empfehlenswert:
- Zieltransparenz: Offenlegung von Regeln, Absichten und Zielen
- Zulassen von Widersprüchen. Die Leitungsebene ist kein Richter, Verändernungsmotivation ist keine Bedingung, sondern ein Ziel
- Ausdruck von Empathie: Wertschätzung und Akzeptanz von Ambivalenz zur Veränderung als ein normales Phänomen erleichtern den Mitarbeitenden die Annahme von Veränderungen. Empathie entwickelt sich wechselseitig.
- Mit dem Widerstand umgehen: Die Leitung streitet nicht, konfrontiert nicht, sondern bietet alternative Deutung der Sachverhalte an. Wenn Ansichten auseinander gehen, ist es eine gute Möglichkeit die Deutung von Sachverhalten einfach so stehen zu lassen und zu akzeptieren. Diese Möglichkeit ist sowohl für die Mitarbeiterschaft, als auch für die Leitungsebene deeskalierend.
- Kongruenz: Nach Carl Rogers streben wir alle danach, ganz, heil, gesund kongruent mit sich und der Umwelt zu sein.
„Selbstvertrauen zum eigenen Organismus als ein empfängliches Instrument entwickeln, der Bewertungen aus sich heraus vornimmt, (…) der sein Leben als fließenden Prozess sieht, in dem er ständig neue Aspekte seines Wesens im Strom seiner Erfahrungen entdeckt.“ (Carl Rogers 1976b, 129)
In diesem Sinne bedeutet dies ein „back to the roots“ (der Sozialen Arbeit)
Zurück zum Ursprung / Anfang ist für mich eine tiefgründigere Aussage.
Wenn Du als Mitarbeiter / Mitarbeiterin oder auch das ganz System der Organisation einen Weg eingeschlagen hast durch Controlling statt Menschlichkeit, Karriere und (falsche) Beziehungen. Dieser Weg irgendwohin gebracht hat, wo wir nie sein wollten und der uns zu etwas gemacht hat, was wir nie sein wollten.
Wenn wir beschliessen eine Wendung vorzunehmen und zurück zu gehen und einen Wandel zu bestreiten… muss am Ende wohl jeder für sich entscheiden, ob die Übernahme von Verantwortung, das freiwillige loslassen von Macht und das Leben von Partizipation der gemeinsame Weg ist. Mit Partizipation meine ich Mitwirkung, Einbeziehung und Teilhabe Aller, was zur Stärkung des Einzelnen und dem System als Ganzes führt.
Ich habe da Hoffnung. Ihr auch?
Zusammenfassung
Der Blogartikel von Elke Overhage vom 11. April 2020 mit dem Titel „Partizipation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ thematisiert die Bedeutung der Mitwirkung, Einbeziehung und Teilhabe von Mitarbeitenden in Organisationen, insbesondere in der Sozialen Arbeit.
Sie beschreibt, dass Partizipation nicht nur den Einzelnen stärkt, sondern auch das gesamte System. Dies erfordert jedoch die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und Macht abzugeben. Der Artikel kritisiert traditionelle, hierarchische Führungskulturen, die Partizipation erschweren, und verweist auf ein Zitat von Wilhelm von Humboldt, das die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Verständnisses lebendiger Systeme unterstreicht, anstatt nur analytisch zu „zergliedern“.
Overhage betont, dass Partizipation die intrinsische Motivation fördert, indem grundlegende menschliche Bedürfnisse wie Fairness, Entwicklung, Autonomie und Selbstwert erfüllt werden. Dies führt zu Sicherheit, Motivation und Kreativität.
Beispiele für Partizipation:
- Übertragung von Verantwortung
- Mitgestaltung von Arbeitsprozessen
- Agile Arbeitsmethoden
- Einbindung in strategische Entscheidungen
- Feedback- und Ideenplattformen
- Partizipative Führungskultur
Overhage hebt hervor, dass Organisationen der freien Marktwirtschaft oft weiter in Bezug auf Mitarbeiterpartizipation und Agilität sind. Sie kritisiert passive Verhaltensmuster in veralteten Strukturen und plädiert für die Stärkung der Urteilskraft der Mitarbeitenden, denen Verantwortung zugetraut werden sollte.
Overhage drückt die Hoffnung aus, dass Partizipation als gemeinsamer Weg angenommen wird, und regt zur Diskussion an, wie diese in der Sozialen Arbeit weiterentwickelt werden kann.
LINKS
Homepage mitbestimmung.de der Hans-Böckler-Stiftung Zitate über Mitbestimmung (https://www.mitbestimmung.de/html/24-zitate-uber-mitbestimmung-10238.html)
Blog puwendt.de von Prof. Dr. disc. pol. Peter-Ulrich Wendt Soziale Arbeit und Macht Zitate aus den Lehrvideos (http://puwendt.de/wp-content/uploads/2020/05/SS-2020-BAS-19-SAM-Zitate.pdf)
Anregungen
Artikel Wenn Du Dich nicht um mich kümmerst, dann verlasse ich Dich. Deine Demokratie (Beitrag hier klicken)
Artikel Ich mache mir Sorgen über den Rechtsruck und den Populismus (Beitrag hier klicken)
Artikel Warum bin ich, Elke Overhage engagiert bei Social Media (Beitrag hier klicken)
Artikel Gestalten teilhaben und partizipieren – gehe Deinen Weg (Beitrag hier klicken)
Artikel Soziale Arbeit mit Zukunft Die professionelle Haltung (Beitrag hier klicken)
Artikel Partizipation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Beitrag hier klicken)


Hallo Elke, schöner Beitrag. Danke. Passt hervorragend zu den Gedanken, die ich mir gerade mache. Zu dem Thema Back to the roots der Sozialen Arbeit. Ja, in uns liegen ganz viele Fähigkeiten partizipativ und selbstorganisiert zu arbeiten. Wir haben es quasi von der Pike auf gelernt. 🙂 Nur glaube ich, dass es eine Weiterentwicklung der Sozialen Arbeit erfordert. Mehr Selbstbewusstsein. Neue Erzählweisen.
LikeGefällt 1 Person